06. Mut ist die Magie, die träume zur Realität werden lässt

Kyles Worte hallen immer noch immer durch den Raum. “Dann stirbst du!”. Schweiß bildet sich auf meiner Stirn. Wenn mich der Stein nicht anerkennt, sterbe ich? Ich habe mir bisher noch nie richtig Gedanken über den Tod gemacht. Klar, er ist Teil unseres Lebens und irgendwann kommt er zu jedem von uns. Aber nur wegen so einem Stein sterben… Anderseits... Was passiert, wenn ich es nicht versuche? Ich wäre Kyle und Mimi nur ein Klotz am Bein. Hätte ich in der Gasse diese Fähigkeit gehabt, hätte ich das Mädchen vielleicht retten können. Ich hätte etwas ausrichten können. So war ich diesen Männern hilflos ausgeliefert. Ich bin mir sicher: ich möchte mich nie mehr in so einer Situation befinden. Nie wieder! “Tail, du überlegst doch nicht wirklich gerade, diesen Stein herauszufordern, oder?” Mimi kommt auf mich zu und will mich von dem Stein wegziehen. Überlege ich das? Die Fee meint, sie hat ein gutes Gefühl. Ich blicke in die goldenen Augen von Ylang und eine Zuversicht überkommt mich. Ich vertraue ihr. Und das, obwohl ich sie erst wenige Stunden kenne. Ich streife Mimis Hände ab, die verdutzt stehen bleibt. “Tail! Du könntest sterben!” Verzweifelt starrt sie mich an. Die Zuversicht in mir wächst immer mehr. Ich wende den Blick von Ylang ab und lächle. “Keine Angst, ich habe nicht vor hier zu sterben!” Ich trete einen Schritt auf Ylang zu, die mich Stolz anblickt. “Kyle, jetzt sag du doch auch mal was!” verzweifelt schaut Mimi zu Kyle, der zwischen dem Stein und mir hin und her schaut, sich aber nicht bewegt “Es ist seine Entscheidung.” “Ja aber...” “Lass es gut sein.” Enttäuscht lässt Mimi die Schultern hängen. Sie tut mir schon fast ein bisschen Leid. Aber ich spüre einfach, dass es die richtige Entscheidung ist! Ylang nickt mir zuversichtlich zu: “Bist du bereit?” “Ja!” “Dann strecke bitte deinen Arm aus.” Kurz schaue ich über meine Schultern zu den beiden Rittern. Kyles Miene ist unergründlich. Was er denkt, wissen wohl nur die Götter. Mimi dagegen schaut mich geschockt und ängstlich an. Als ich meinen Blick wieder nach vorne richte und meinen Arm ausstrecke, murmelt die Fee ein paar Worte, worauf ihre Hand, in der sie den Stein hält, wieder anfängt zu leuchten. Dieses Mal ist es ein rotes Licht. Meine Hand wird ebenfalls von dem Licht ergriffen. Es fühlt sich warm an. Dann, ohne Vorwarnung, schlägt Ylang mit einem Schrei den Stein auf meinen Handrücken. Ein brennender Schmerz durchzieht meine Hand, meinen Arm und wandert zu meinem Kopf. Es ist ein Schmerz, wie ich ihn noch nie verspürt habe. Ich beobachte, wie der Stein in meiner Hand versinkt. Immer tiefer, Stück für Stück. In meinem Augenwinkel sehe ich Mimi, wie sie zur mir laufen möchte, aber von Kyle zurückgehalten wird. Sie weint. Warum weint sie, ist doch alles gut? Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich schreie. Und zwar laut. Aus ganzer Seele. Mein ganzer Körper glüht. Mimis Tränen sind das Letzte was ich sehe, bevor ich das Bewusstsein verliere. |

Die Kraft, die von diesem Stein aus geht, ist atemberaubend. Erstaunlich, was so ein kleiner Stein für eine Macht hat. Mein Blick wandert von dem Stein, zu Tail.
Seine Schreie sind schmerzerfüllt und hallen im Raum wieder. Lange hält er das nicht aus. Was denkt sich Ylang dabei? Die Chance, dass ein Mensch von dem Stein anerkannt wird, ist fast null.
Sie weiß das. Wieder zerrt Mimi an meinem Arm, der sie festhält. Ich verstärke den Griff. Ich merke, wie sie am ganzen Körper zittert. Tränen fließen über ihr Gesicht. “TAIL!” Doch ihr Ruf geht in seinen Schreien unter. Er wird sterben. Wie unzählige Menschen vor ihm, die versucht haben, die Kraft des Steines zu absorbieren. Ausdruckslos starre ich zu Ylang, die voll konzentriert Magie auf Tail anwendet. Vermutlich, um die Schmerzen zu minimieren. Vielleicht will sie den Stein auch aufhalten. Hat eingesehen, dass sie sich geirrt hat. Wer weiß das schon. Mir solls recht sein. Ich habe sie gewarnt. Ylang hört auf, Magie zu wirken und Tail klappt zusammen. Bewusstlos oder schon tot liegt er vor ihren Füßen. Schweißperlen sind auf der Stirn der Fee sichtbar. Sie ist an ihre Grenzen gekommen. “TAIL!” Mimi reißt sich nun endgültig von mir los und stürmt zu ihrem bewusstlosen Freund. Ylang beugt sich zu ihm runter. “Was hat er? Lebt er?” Schluchzend kniet sich Mimi neben Tail. “Sein Puls ist sehr, sehr schwach, aber er lebt noch”. Erstaunt schaue ich auf den Jungen. Er lebt noch? Das ist mehr, als ich erwartet habe. “Was heißt noch? Er wird doch wieder gesund, oder?” Verzweifelt schaut Mimi die Fee an, die schuldbewusst zu Boden schaut. “Ich... ich weiß es nicht. Der Stein ist noch nicht vollständig absorbiert.” Sie deutet auf Tails Hand, wo immer noch die Spitze des Steines rausschaut. Ich geselle mich zu den 3, knie mich aber nicht hin, sondern bleibe genau vor Tail stehen: “Den Stein zu absorbieren kostet Kraft, die er in seinem Zustand nicht hat. Das bedeutet, der Stein zieht Kraft die nicht da ist. Lebenskraft.” Mein Blick wandert zu Ylang. Sie hat ihn auf dem Gewissen. “Er ist so gut wie...” “NEIN!” Ausdruckslos schaue ich zu Mimi, die Tail im Arm hält. Immer mehr Tränen fließen über ihr Gesicht. Doch das wird nichts ändern. Überhaupt nichts. “Nein…” sie drückt Tail noch mehr an sich. Dann verändert sich der Ausdruck ihrer Augen. Nicht mehr Trauer spiegelt sich darin, sondern Entschlossenheit. Was hat sie vor? “Ich werde dich nicht im Stich lassen!” Sie schließt ihre Augen, und legt ihre Hände auf Tails Brust. Als sie ihre Augen wieder öffnet. scheinen sie blau zu leuchten. Ich stutze. Ich spüre... Magie! Erleichtert atmet Ylang auf. “Gerade rechtzeitig!” “Gerade rechtzeitig?” Aus Mimis Händen kommt ein blauer Dunst. Überrascht schaue ich auf Tails Hand. Der Stein bewegt sich wieder! Wie ist das möglich? Normalerweise, wenn keine Kraft mehr vorhanden ist, frisst der Stein die Lebensenergie und stoßt sich dann ab. Ylang schaut mich lächelnd an. Ich schaue auf den blauen Dunst, der aus Mimis Händen kommt. Ich verstehe. Sie hat keine Angriffsmagie. Sie kann heilen! Sie gibt Tail ihre Kraft! Immer weiter dringt der Stein in Tails Hand ein, bis nichts mehr von ihm zu sehen ist. Ein Mal formt sich auf der Hand. Erstaunt betrachte ich es. Ich habe es noch nie von nahem gesehen. Und schon gar nicht bei einem Menschen! Doch da ist es. Unverkennbar. Das Mal des Steins. “KYLE!” erschrocken ruft Ylang meinen Namen und als ich aufblicke, sehe ich warum. Immer noch strömt Energie aus Mimis Hand. Ihr Gesicht ist verzerrt vor Anstrengung. “Mimi, du musst aufhören! Tail ist gerettet!” “Ich... ich kann nicht!” Ich seufze. Sie beherrscht die Magie noch nicht. Da hilft nur eins. Ich stelle mich hinter Mimi und schlage ihr ins Genick, sodass sie Ohnmächtig wird. Bevor ihr Körper auf den Boden knallt, fange ich sie auf. Der blaue Dunst, der aus ihren Händen gekommen war, ist weg. Erstaunlich. Ich betrachte ihr Gesicht. Sie hat das erste Mal Magie gewirkt. Ylang schaut mich missmutig an. “Was? Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich sie vereist hätte?” “Nein, aber so grob hätte es auch nicht sein müssen…” Sie seufzt auf und untersucht dann Tail. “Und?” “Er hat es geschafft! Der Stein ist absorbiert und sein Zustand ist stabil. Sobald er aufwacht wird er die Fähigkeit haben, alle Waffen die er anfasst, beherrschen zu können.” Ylang scheint sehr zufrieden mit sich zu sein. Gerade rechtzeitig hat sie gesagt. Sie wusste es. Sie wusste, das Mimi Heilkräfte hat und da sein würde, um ihn zu unterstützen. Ein ziemlich gewagter Plan. Ich hätte nicht gedacht, dass die sonst so gutmütige Fee solche Risiken eingeht. Die Fee lächelt mich an. “Schau nicht so, er wäre auf keinen Fall gestorben. Was denkst du, warum ich ihm den Stein in die Hand und nicht auf die Brust gedrückt habe?” Ich schaue auf den ausgestreckten Arm von Tail. Ich muss zugeben, dass ich mich noch nie genauer mit Magie Steinen befasst habe. Ich habe schon gegen sie gekämpft und vieles von ihnen gehört. Auch schon Menschen sterben sehen, die sich ihre Kraft an eigenen wollen. Aber jetzt, wo sie es erwähnt… Sollte der Stein nicht immer so nah wie möglich am Herz des Anwenders sein? Wissend lächelt Ylang. “Hätte Mimi ihre Kräfte erst später entdeckt, hätten wir ihm immer noch die Hand abschneiden können.” Die Hand abschneiden? Der Stein wäre dann vom Körper getrennt gewesen und hätte keine Möglichkeit gehabt, an die Lebensenergie zu kommen. Guter Plan, wenn auch ziemlich brutal. Habe ich die Fee bisher unterschätzt? Meine Augen verengen sich. Doch dann lacht die Fee los: “Das war ein Scherz! Ich wusste das es funktionieren würde.” “Woher?” “Hm?” “Woher hast du gewusst, dass es funktioniert? Es gab keine Indizien dafür!” Geheimnisvoll lächelt Ylang mich an. Ihr Blick wandert zu Tail, der immer noch vor ihr liegt: “Denk daran, Mut ist die Magie, die Träume zur Realität werden lässt!”. Wieder so ein toller Spruch von ihr. Ich betrachte Tail. Mithilfe des Steines könnte er wirklich stark werden. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich bin wirklich gespannt. Gemeinsam bringen die Feen und ich die beiden Turteltauben in einen kleinen Nebenraum, in dem schnell zwei Betten hergerichtet worden sind. Ich hatte mir nie wirklich Gedanken über den zweiten Ritter gemacht, bin aber automatisch immer davon ausgegangen, dass es sich um einen Kerl handelt und dass dieser eine Angriff Magie beherrschen würde, so wie ich eben. Ich betrachte Mimi. Sie ist so zierlich, so verletzlich. Sie wird mir nichts als ein Klotz am Bein sein. Ich habe keine Zeit, sie zu beschützen. Und auch keine Lust. Gedankenverloren verlasse ich den Nebenraum und gehe zur Fee, die sich über eine ausgebreitete Karte, die auf dem Tisch liegt, beugt und diese genau zu studieren scheint. Ein kurzer Blick verrät mir, dass es sich um eine Karte des Feenreiches handelt. Kein Wunder, schließlich ist Ylang die Herrscherin über dieses Reich. Als ich mich setze, schaut sie zur mir auf: “Was beschäftigt dich?” “Sie ist zu angreifbar. SHADOW wird sie töten. Ich kann sie nicht ständig beschützen.” Nachdenklich legt die Fee den Stift, den sie in der Hand gehalten hat, auf den Tisch. “Und was schlägst du vor?” “Bevor wir aufbrechen werde ich sie trainieren.” Die Augenbrauen der Fee werden von ihr nach oben gezogen. “In was?” “Im Schwertkampf.” Stille. Seit ich Mimis Heilkraft gesehen habe, denke ich schon darüber nach. Ihre Kraft ist nützlich. Aber ohne, dass sie sich selbst verteidigen kann, bringt uns das überhaupt nichts. Viele der magischen Wesen kämpfen mit dem Schwert. Mimi ist zierlich und beweglich. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen. Die goldenen Augen der Fee dringen in meine. Schon zu oft hat sie mich so angeschaut. Ich halte ihrem Blick stand. Minuten vergehen. Dann schließt sie seufzend die Augen. “Nun gut, ich habe nichts dagegen einzuwenden. Allerdings…” Sie öffnet wieder ihre Augen und winkt einer kleinen Fee zu, die daraufhin eine Art Uhr holt und auf den Tisch legt. Sie hat 5 Zeiger, ist vergoldet, rund und glitzerte. Ich weiß nicht, wofür die 5 Zeiger stehen. Und wenn ich ehrlich bin, interessiert es mich auch nicht. Angespannt beobachtet die Fee die 5 Zeiger. “Kyle, uns rennt die Zeit davon! 48 Stunden, mehr kann ich dir nicht geben.” 2 Tage. Das ist wenig. Aber mehr, als ich erwartet habe. Ich nicke der Fee zu. “Wie siehts auf der anderen Seite aus?” “SHADOW hat den Erben noch nicht gefunden. Ein weiteres Mädchen ist seit eurer Ankunft getötet worden.” Traurig betrachtet Ylang die ‘Uhr’ auf dem Tisch. “Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie das richtige Mädchen finden. Du hattest wirklich Glück, so schnell auf Mimi zu stoßen! Das ist ein großer Vorteil, denn wir unbedingt nutzen müssen!”. Sie hat recht. Ich habe nicht damit gerechnet, den zweiten Ritter schon in den ersten Wochen zu finden. Nur in 3 Schulen habe ich mich umgesehen. “Sobald Mimi wach ist, werde ich sofort beginnen.” “Was wirst du beginnen, sobald ich wach bin?” Ich drehe mich Richtung Nebenraum um. Mimi steht in der Tür. Sie ist noch ein bisschen bleich, ansonsten scheint es ihr aber gut zu gehen. “Ich werde dich im Schwerkampf trainieren.” “Im Schwertkampf?” Verwundert schaut mich das Mädchen an: “Warum?” “Weil du dich verteidigen können musst!” “Reicht es denn nicht, dass ich Magie beherrsche?” Diese dummen Fragen gehen mit echt auf die Nerven: ”Was tust du, wenn dich jemand angreift? Ihn versuchen zu treten?” Mimi wird rot und schaut zu Boden. Offenbar hat sie genau das Gedacht. Sie ist viel zu naiv. “Wir werden gegen eine Organisation kämpfen, die nicht nur Magie beherrscht, sondern auch fähige Krieger ausbildet. Deine Magie nützt uns überhaupt nichts, wenn du tot oder verletzt bist.” “Jaja, ich hab’s ja kapiert.” Sie schaut mich finster an und richtet ihre Worte dann an Ylang. “Muss er mich unbedingt trainieren? Kann das nicht eine Fee machen?” Diese lächelt aber nur: “Wie fühlst du dich denn?” “Mein Kopf tut ein noch ein bisschen weh, aber ansonsten ist alles gut.” Sehr gut. Ich richte mich auf. “Dann fangen wir am besten gleich an! ” “Waaaaaaaaaaas, jetzt sofort?” “Klar, die Zeit drängt!” Ich laufe an der Fee vorbei - Richtung großer Saal, in dem der Thron steht. Dort befindet sich eine Treppe, die nach unten in eine große Halle führt, welche sich perfekt für unser Training eignet. Als ich mich in der Tür umdrehe bemerke ich, dass Mimi sich kein Stück bewegt hat. “Worauf wartest du?” “Ähm... also…” Was hat sie denn nur? Ylang steht ebenfalls auf, geht auf Mimi zu und lächelt sie aufmuntert an: “Sei unbesorgt, ich werde mich um Tail kümmern.” Ein bisschen erleichtert, aber immer noch unschlüssig lächelt das Mädchen die Fee an. “Du wirst sehen, Kyle ist ein guter Trainer. Hab vertrauen!” Dann flüstert sie noch etwas, was ich nicht verstehen kann. Doch was immer es ist, es bewegt Mimi dazu, mir endlich zu folgen. Weiber! Still gehen wir zur Treppe, die uns nach unten in die Trainingshalle bringt. Wie die anderen Räume, wird auch hier die Decke von mächtigen Säulen gestützt. An der Wand hängen viele verschiedene Waffen. Unterschiedliche Schwerter, Rapiere, Dolche, Messer, Äxte, Speere, Stäbe, Pfeil und Bogen und vieles mehr. Auch Pistolen und Gewehre sind vorhanden. Ich laufe in Richtung der Schwerter und Mimi folgt mir. Nachdem ich mir einen kurzen Überblick verschafft habe, gebe ich ihr ein gerades Schwert, das einhändig geführt wird. “Hier, halt das mal”. Umständlich nimmt Mimi mir das Schwert ab und betrachtet es skeptisch. “Was ist jetzt schon wieder?” “Es ist so schwer!” “Du wirst dich daran gewöhnen”. Ich konzentriere mich und erschaffe eine Eisskulptur in der Mitte der Halle. “Coool” Höre ich Mimi hinter mir flüstern und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, bin aber schnell wieder ernst: “Also, versuche als erstes Mal das Schwert so zu schwingen, das du die Skulptur triffst.” “Okay!” Ich beobachte das blonde Mädchen, wie sie umständlich mit beiden Händen das Schwert hebt und versucht, es gegen die Skulptur zu schlagen. Ich verziehe das Gesicht. 48 Stunden werden nie im Leben ausreichen. Doch gerade als ich denke, dass es nicht schlimmer sein kann, verliert Mimi das Gleichgewicht Sie lässt das Schwert los, das mit einem lauten Knall auf dem Boden neben ihr landet. “Auaaa!” Ich seufze. “So wird das nichts.” Mürrisch sieht Mimi mich an: “Dann zeig doch mal wie man es richtig macht!” Tse... Ich gehe an Mimi vorbei und hebe das Schwert auf. Es liegt gut in der Hand und fühlt sich kühl an. Konzentriert atme ich langsam tief ein und aus, renne dann auf die Skulptur zu und schlage mit gezielten Hieben erst die Arme, dann die Beine und schließlich den Kopf ab. Als ich mich umdrehe starren mich zwei schockierte Augen an: ”Woow, wo hast du das gelernt?” “Von meinem Vater.” “Oha, er muss wirklich talentiert gewesen sein!” Ich habe schon lange nicht mehr über meinen Vater geredet. Und ich habe auch jetzt keine Lust dazu. Kurz taucht ein Bild von ihm in meinem Kopf auf. Ich balle meine Hand zusammen. Nicht mehr lange und ich werde ihm wieder gegenüberstehen. Und dann darf ich nicht versagen! Als mir das Schwert aus der Hand gerissen wird, werde ich mit meinen Gedanken wieder in die Gegenwart gerissen. Mimi hat das Schwert wieder in der Hand, aber wie beim ersten Mal hält sie das Schwert schon wieder komplett falsch. “Nicht so, schau mal” Ich stelle mich hinter sie. “Das Schwer ist ein Einhandschwert. Man führt es nicht mit beiden Händen.” Ich nehme ihre linke Hand und löse sie vom Schwert. “Mit deiner Führungshand musst du den Griff so halten...” Ich positioniere ihre Rechte Hand am Griff neu. Hätte ich in ihr Gesicht gesehen, wäre mir vielleicht aufgefallen, dass sie total rot angelaufen ist. Aber ich bemerke nichts. Stattdessen gehe ich auf die Knie und optimiere ihren Stand. “So, jetzt heb das Schwert hoch und...” doch weiter komm ich nicht. Sie versucht das Schwert hoch zu heben und verliert schon wieder leicht das Gleichgewicht. Ihr Gesicht ist vor Anstrengung verzerrt. Ich kann nicht anders als laut los zu lachen. “Hey! Hör sofort auf zu lachen! Das ist NICHT witzig!!” Eingeschnappt lässt Mimi das Schwert fallen und schaut mich böse an: “Ich habe dir doch gesagt, dass das Schwert zu schwer ist!” Ich atme tief ein und beruhige mich wieder. Diesen Gesichtsausdruck werde ich definitiv nie wieder vergessen. Eventuell hat Ylang Kameras installiert, sodass ich ihn mir später nochmal anschauen kann? Ich grinse bei dem Gedanken. “Okay, okay, ich habe eine andere Idee”. Nachdem ich das Schwert aufgehoben und weggeräumt habe, widme ich mich den anderen Waffen. Das Schwert ist zu schwer und sie braucht zu viel Kraft. Es verlangsamt sie und wäre eher ein Nach- als ein Vorteil. Mein Blick schweift über die restlichen Waffen und bleibt schließlich an einem Rapier hängen. Hmm.. ja, warum eigentlich nicht? Ich nehme das Rapier aus der Halterung und gehe zu Mimi zurück, die das Rapier begeistert anschaut. “Das Schwert sieht ja toll aus” “Das ist ein Rapier. Er ist um einiges leichter, als das Schwert eben. Hier...”, ich übergebe ihr das Rapier und sie hält ihn locker in der Hand: “Oh ja, schon viel besser!”. Lässig wedelt sie mit dem leichten Schwert vor meiner Nase herum. Immerhin hat sie ihre Hand dieses Mal schon an der Richtigen Position. “Also, hör zu. Ein Rapier hat den Vorteil, dass er kleiner, schmaler und dadurch um einiges leichter als ein Schwert ist. Du kannst aber trotzdem verheerenden Schaden mit ihm anrichten. Deswegen solltest du niemals so ungezielt mit ihm rum fuchteln, verstanden?” Ruckartig hört Mimi auf, den Rapier hin und her zu schwenken und hält ihn mit der Klinge nach unten in der Hand - so wie es sich gehört. Aufmerksam sind ihre Augen auf mich gerichtet. “Ein Rapier ist eine sehr schnelle und elegante Waffe, die eine hohe Präzision, sparsame Bewegungen aus dem Handgelenk und zugleich großen körperlichen Einsatz erfordert...” “Aus dem Handgelenk... also so?” Nur im letzten Moment kann ich ihrem Stoß nach vorne ausweichen. Puh, das war echt knapp! Das hätte auch schiefgehen können. “Ups...Sorry! Ist alles okay?” Der Stoß war wirklich schon sehr gut. Die richtige Waffe scheine ich also gefunden zu haben. Besorgt kommt Mimi auf mich zu: “Erde an Kyle? Ich habe dich doch nicht etwa getroffen, oder?” Als ob sie mir etwas tun kann. Ich seufze. Aber, ich könnte ja… mit einer schnellen Bewegung packe ich sie am Handgelenk und ziehe sie nah zu mir. “Aah, hey!?” Ich höre ihren Puls schneller werden. Ihr Gesicht läuft rot an. Warum nicht ein bisschen Spaß haben? |
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