00.PROLOG

Winter 2018 - 6 Jahre nach der Katastrophe

"Das kleine Biest muss hier irgendwo sein! Sucht weiter!"
Ganz still stehe ich da und versuche nicht zu atmen. Ein kleiner Riss in einer Mauer bietet mir Schutz. Das Brot, das mein Leben um ein paar Tage verlängern wird, halte ich fest in meiner Hand. Ich kralle mit meinen kaputten, dreckigen Fingern herein. Bitte, bitte, bitte entdeckt mich nicht!
Ich höre schnelle Schritte und mache mich noch kleiner- obwohl das kaum noch geht! Die Schritte werden leiser und ich atme auf. Sie sind gegangen. Sie haben aufgebeben. Alles nochmal gut gegangen.

Dann geht alles ganz schnell. Ich höre ein Geräusch, einen Schrei, spüre einen Schmerz in meinem linken Arm und werde aus dem Riss gezerrt.
“Ich hab sie! Harhar! Du kleines Miststück! Denkst, du kannst einfach unser Brot klaun und dann abhaun, hm?” Er tut mir weh. Ich habe Angst und versuche mich los zu reisen, aber ich schaff es einfach nicht.
“Halt still du Miststück! Glaubst, nur weil du ein Kind bist, kannst du dir alles erlauben, hm? Aber weist du, das interessiert mich einen scheiß!” Er holt aus. Ich mache schnell die Augen zu und bereite mich auf weitere Schmerzen vor. Ein kurzer, einzige Gedanke fliegt durch meinen Kopf: Mama, hilf mir!

Er will zuschlagen, doch der Windhauch, den ich von seinem herunter wirbelden Arm spüre, wird unterbrochen. Der Mann schreit auf und lässt mich los. Hart falle ich auf den Boden und öffne langsam meine Augen. Vor mir steht ein Junge - auf jeden Fall älter als ich es bin. Er hält die Hand des Mannes fest, als wäre sie nichts.
"Man schlägt keine Kinder, du Arschloch!" Er dreht den Arm des Mannes um.
“Whaaa, du Hurrensohn!!”
Ich sehe, wie der Mann mit seiner zweiten Hand in seine Jacke greift und möchte den Jungen warnen, doch der Junge scheint das bereits realisiert zu haben.. Schon hält er ein Messer in seiner Hand: "Wer nicht hören will, muss fühlen!" Ich weiß was kommt. Ich habe es schon öfter beobachtet. Aber ich will es nicht sehen! Das Blut. Den Schrei. Das Geräusch. Ich will das alles nicht! Mama, warum muss ich das alles sehen? Ich möchte die Augen zumachen, mich weg drehen. Aber es geht viel zu schnell. Nur ein Stich ist nötig gewesen. Der Junge hatte gewusst was er tut. Der Mann liegt da. Bewegt sich nicht mehr.

Noch immer kralle ich in das Brot. Der Junge dreht sich zu mir um. Überall ist Blut. Ich kann nicht aufhören, ihn an zu starren und auch er schaut mich an.
"Das Brot!" Seine Stimme ist ruhig, nicht bedrohlich. Doch trotzdem macht sie mir Angst. Ich zittere von oben bis unten und zögere. Das Brot ist doch meine einzige Möglichkeit...
"Das Brot!" er wiederholt seine Forderung und kommt langsam auf mich zu, das Messer immer noch in seiner rechten Hand. Langsam strecke ich ihm das Brot entgegen.
“Wi...r...st d...d..u mi..c..h a..a..a..uch t...t...t...töten?” Meine Stimme zittert unkontrolliert.
Er bleibt stehen und schaut mich nachdenklich an. “Nein.” Mit einem Ruck reißt er mir das Brot aus der Hand.
“Nein, bitte! Ich brauche das Brot! bitte!”, ich spüre Tränen in meinen Augen und kann diese nur mit Mühe zurück halten. Aber er schaut mich nur kalt an: “Wer braucht es nicht?” Dann dreht er dreht sich um und geht weg.

“Neeeiiin!” Ich bekomme keine Luft mehr. Tränen fließen über mein Gesicht. Ich schluchze. Das Brot ist meine einzige Hoffnung. Die ganze Mühe ist umsonst gewesen. Ich kann es nicht mehr. Und will es nicht. Ich will kein Blut mehr sehen. Immer wenn ich mir essen besorge, stirbt jemand.
“Heul doch nicht gleich rum. Du musst vorsichtiger sein und darfst dir dein Essen nicht so leicht weg nehmen lassen!"
Vor lauter Verzweiflung habe ich gar nicht bemerkt, dass der Junge zurück gekommen ist. Er wirft mir ein Stück des Brotes zu. In dem Stück steckt das Messer, mit dem er den Mann getötet hat. Am Griff ist ein kleiner Vogel eingraviert und darunter steht etwas, dass ich nicht entziffern kann.
"Nochmal helfe ich dir nicht."
Dann geht er. Dieses Mal endgültig. "Da..danke."
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